NZZ am Sonntag

Der Maestro bleibt unfassbar

Ausgabe vom 30. März 2008
Bücher am Sonntag

 

Anmerkungen zum Beitrag von Corinne Holtz in der Neuen Zürcher Zeitung:

 

Dass die Autorin Corinne Holtz Carlos Kleibers Engagement an der Deutschen Oper am Rhein um ein Jahr vorverlegt, mag ein marginaler Fehler sein. Bedauerlich jedoch ist, dass sie übersehen hat, dass meiner Biografie keineswegs nur Interviews von Zeitzeugen zugrunde liegen, wie sie mit dem Satz Auf Selbstzeugnisse wie Tagebücher, Korrespondenz und Partituren konnte der Biograf nicht zurückgreifen erklärt, sondern eine Vielzahl anderer Dokumente, darunter eben gerade zahllose Briefe und Archivmaterialien. Hinweise auf Briefe, wenngleich angesichts der Fülle und natürlich nicht auf alle, sind im Anhang für jede und jeden ersichtlich dokumentiert. Der kausale Zusammenhang der Bemerkung Welche Dokumente sich in den politischen Archiven aus der Zeit vor und nach 1945 finden liessen, erfährt die Leserin nicht, dafür wird oft aus der Erich-Kleiber-Biografie von John Russel aus dem Jahr 1958 zitiert, erschließt sich mir nicht. Russels sehr lesenswerte (!) Biografie über Erich Kleiber, die aus dem Jahr 1956 stammt, war eine Auftragsarbeit, die ich anhand meiner zusätzlichen Materialien und Recherchen kritisch durchleuchtet und im Anfangskapitel nur so weit als nötig zitiert und kommentiert habe. Carlos Kleiber selbst taucht in diesem Buch übrigens lediglich nur ganz unmerklich am Rande auf. Ohne die sehr vielen zusätzlichen erhellenden Materialien und Zeugnisse gerade auch aus diesen Jahren, die ich eingesehen und eingearbeitet haben und die bei Russel teils bewusst nicht erwähnt wurden, wäre auch der Mensch Carlos Kleiber und der Weg zu einem Verständnis seiner Musikalität tatsächlich nicht fassbar. Die Autorin erkennt einerseits akribische Recherche, die mich auch mit vielen unbekannten Archivmaterialien vertraut machte, spricht dann aber vom Überwiegen des Anekdotischen und der fehlenden interpretationsgeschichtlichen Einordnung. Diese jedoch ist in der Linie Toscanini, Erich Kleiber etc. und den Antipoden Furtwängler, Knappertsbusch etc. nun gerade ein wesentlicher, meine Biografie durchziehender Punkt. Das die Autorin empfindet, alle anderen Leserinnen und Leser mit einschließend, zum Mitglied eines Kleiber-Fanclubs degradiert zu werden, bedauere ich natürlich.

 

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